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Pyron_5

Wolfgang Petri Imitat
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kennt den wer von euch?
war der skandal film schlechthin in cannes 2002. ist mit monika belucci (matrix), wegen einer 9 minütigen vergewaltigungsszene!
 

Festivalgod

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Ja. Ich kenne den Film. Ich habe auch schon mit dem Gedanken gespielt, ihn im Film Noir Thread zu erwähnen. Allerdings muß ich sagen, daß dieser Film nicht ohne Vorbehalte zu empfehlen ist. Nicht nur die Vergewaltigungsszene hatte damals den Skandal ausgelößt, sondern auch eine Szene, die in ihrer Brutalität ihresgleichen sucht.

Für mich einer der besten Filme aller Zeiten. Bis dato habe ich ihn jedoch nicht erwähnt. Um die FAZ zu zitieren:

Man möchte "Irreversibel" gerne empfehlen, aber letztlich muß jeder selbst wissen, wie weit er als Zuschauer zu gehen bereit ist.


ACHTUNG: Im folgenden Text werden Inhalte des Filmes dargelegt. Wer mit dem Gedanken spielt den Film anzusehen sollte bis zur fetten roten Schrift runter scrollen!!!

Hier zwei unterschiedliche Kritiken zum Film:

Gaspard Noés "Irreversibel"
Von Michael Althen
09. September 2003

Bei seiner Premiere in Cannes sahen den Film 2400 Leute. Zweihundert gingen vorzeitig, mancher war der Ohnmacht nahe, andere brüllten Schande, der Rest blieb bis zum Ende, um Abgebrühtheit zu demonstrieren oder den Unmut loszuwerden. Geklatscht haben nur wenige, denn, kein Zweifel, der Film ist schwer zu ertragen. Womöglich gerade deshalb, weil er so brillant ist.

Die inkriminierten Szenen sind in der Tat von einer Brutalität, der man schutzlos ausgeliefert ist. Erst wird mit dem Knie ein Arm gebrochen, dann der Angreifer mit dem stumpfen Ende eines Feuerlöschers so lange geschlagen, bis sein Schädel nur noch Brei ist. Später sieht man neun Minuten lang, wie eine Frau von hinten vergewaltigt und dann ihr Kopf auf den Boden geschlagen wird, bis ihr Gesicht nicht mehr zu erkennen ist. Kein Schnitt fiktionalisiert das Ganze, die Kamera wendet ihr Auge nicht ab, der Imagination bleiben keine Fluchtmöglichkeiten. Maskenbildner und digitale Nachbearbeitung ermöglichen die Präsentation der Gewalt und ihrer Auswirkungen in voller Dauer. Die Szenen sind purer Terror, und man könnte fragen, warum man sich das antun soll. Man könnte aber auch fragen, warum die Darstellung von Gewalt als das, was sie ist, schändlicher sein soll als die gesellschaftlich sanktionierten Darstellungsweisen, wo die Gewalt auch Opfer fordert, aber keinem weh tut, weil die Kamera vor den Folgen den Blick senkt.

Gaspard Noe unternimmt nichts, um die Gewalt zu ästhetisieren und zu verharmlosen, er will sie noch nicht einmal rechtfertigen, sondern zeigt sie nur in all ihrer schändlichen Brutalität. "Irreversibel" heißt auch: Hier steht hinterher keiner wieder auf und tut so, als sei nichts gewesen. Das muß man nicht mögen, aber gegen die guten Sitten verstößt es deswegen noch lange nicht. Gerade angesichts des Geschreis über die zunehmende Virtualisierung von Gewalt durch Computerspiele sollte man "Irreversibel" begrüßen als filmisches Ereignis, das der Gewalt ihre Schwerkraft zurückgibt.

Was die Kritiker des Films außerdem erbost hat, ist der Umstand, daß Noe die Chronologie außer Kraft gesetzt und die Erzählung umgekehrt hat, wodurch die Mutwilligkeit der Exzesse noch betont werde. Tatsächlich beginnt "Irreversibel" mit dem Abspann und erzählt die zwölf Stationen seiner Geschichte wie Christopher Nolan in "Memento" rückwärts. Erst sieht man also die Rache an dem Vergewaltiger und erst später die Vergewaltigung. Gerade diese Umkehrung entwindet den Film jeglichen Rechtfertigungsszenarien. Man kennt das Motiv für den Einsatz des Feuerlöschers nicht, und wenn es dann soweit ist, wächst der Tat nicht rückwirkend Verständnis zu. Durch die Verkehrung von Ursache und Wirkung weicht Noe vom genretypischen Rachemuster ab, mit dem Filme wie "Ein Mann sieht rot" ihre Gewalt zu legitimieren suchen. Wenn man die Uhr zurückdreht, funktioniert diese Verkettung nicht mehr, sondern verweist die Erzählung eher ins Horror-Genre, dessen Spannung ebenfalls von düsteren Vorahnungen lebt. Eine Unausweichlichkeit schleicht sich in den Film ein, ein Suspense, der schon erschaudern läßt, wenn Monica Bellucci in ihrem weißen Abendkleid die Unterführung betritt, deren rotes Licht alle Schrecken vorwegzunehmen scheint. Wie alle Horrorfilme ist auch dieser ein Spiegel seiner Zeit, indem er urbane Paranoia zu einem Albtraum verdichtet.

Natürlich ist Noe darauf aus, uns den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Schon wenn zu Beginn der Abspann von unten durchs Bild rollt und sich das Schriftbild langsam zur Seite neigt, gerät man als Betrachter aus dem Lot. Und die spiegelverkehrten Großbuchstaben tun ein übriges, um schon vor dem ersten Bild nicht mehr zu wissen, wo oben und unten ist. Dann klettert die Kamera durch einen Hinterhof, überschlägt sich, steht auf dem Kopf, fliegt durch ein Zimmer an zwei alten Männern vorbei und senkt sich dann hinab zu dem Schwulenclub "Rectum", wo sie über die Opfer hinweg durchs Dunkel taumelt, zurück in der Zeit, an Gesichtern und Gliedern, Geschrei und Gestöhne vorbei, in einen dunklen Schlund, an dessen Ende alles eskaliert - ein wahrer Höllensturz, wie man noch keinen gesehen hat, von einem Kameraauge registriert, das wie ein unsichtbares außerirdisches Insekt alles hautnah abtastet, ohne Halt zu finden.

Man könnte sagen, daß die Perspektive dieses Films unbarmherzig, geradezu unmenschlich ist, aber die Gewalt ist es auch. Und wenn es zur Vergewaltigung kommt, dann verharrt die Kamera auf dem Boden, vor dem Gesicht Belluccis, deren verzweifelte Schreie von der Hand des Angreifers unterdrückt werden - und der Horror des Opfers überlagert definitiv die Lust des Täters und unterbindet alle sexuellen Konnotationen. Neun Minuten lang blickt man ihr in die schreckens- und schmerzgeweiteten Augen, und womöglich führt diese Erfahrung dazu, daß Monica Bellucci in den folgenden, dem Ereignis also vorhergehenden Szenen noch fragiler, verletzlicher und schöner wirkt als ohnehin schon.

Danach sieht man sie auf einer Party, die sie fatalerweise alleine verläßt; mit ihrem Freund (Vincent Cassel) nach dem Liebesspiel im Bett; beim Schwangerschaftstest, der zu ihrem Glück und unserem Unglück positiv ausfällt; und am Ende zu Beethovens Siebter auf einer grünen Wiese, wo sie inmitten tollender Kinder ein Buch liest, während sich die Kamera immer wilder dreht, bis am Ende die Leinwand in einem Gewitter aus Licht explodiert. Ein Happy-End in einem todtraurigen Film, ein glücklicher Anfang, der sein bitteres Ende schon in sich zu tragen scheint, unfaßbare Schönheit, die aus gnadenloser Brutalität entsteht. Der Film ist ein einziges Paradox, schon weil er seinen eigenen Titel Lügen straft. Er macht nichts rückgängig und schafft es doch, sich der eigenen Finsternis zu entwinden.


Hier noch eine Gegendarstellung:


Diesen Film sieht man von seinem Ende her: Gaspar Noé hat mit „Irreversibel“ einen Skandal inszeniert, gegen dessen Brutalität sogar die Schönheit Monica Belluccis verblasst.

Eigentlich sollte man von Gaspar Noés „Irreversibel“ verkehrtherum erzählen, aus Respekt vor einer grandiosen Idee.

Der Film beginnt mit dem Abspann und arbeitet sich dann, Szene für Szene, rückwärts in der Zeit heran an die Erklärung dessen, was man zuerst gesehen hat.

Das erste, was man sieht nach dem Abspann, ist ein Mord – zwei Männer erschlagen in einer Schwulenbar einen dritten, eine Szene von unglaublicher Brutalität, gefilmt wie ein Rausch, die Kamera entwickelt geradezu einen Sog.

Man kann den Blick nur schwer abwenden von dieser Mordszene – was dazu führte, dass es reihenweise Ohnmächtige gab bei der Uraufführung in Cannes im vorigen Jahr. Dabei waren alle gewarnt, denn schon im Vorfeld war kräftig die Werbetrommel gerührt worden für diesen geplanten Festival-Skandal, von einer zwanzigminütigen Vergewaltigungsszene war die Rede.Und da fangen schon die Probleme an: Sie dauert keine zwanzig Minuten, aber wer einen so blödsinnigen Wettstreit anzettelt, vor dem muss man sich auf jeden Fall in Acht nehmen. „Irreversibel“ ist als Skandal inszeniert. Noé verlässt sich darauf, dass seine grandiose Idee und ein Eklat den Film schon tragen werden. Das ist aber nicht so.

Der Mord nach dem Abspann ist ein Fall von Lynchjustiz – während die Geschichte voranschreitet, erfahren wir, dass die beiden Männer der Freund und Ex-Freund von Alex (Monica Bellucci) sind.

Das Trio besucht eine Party, Alex läuft davon und wird in einer Unterführung von einem schwulen Zuhälter vergewaltigt, der eigentlich im Begriff war, eine Transe zu verprügeln. Marcus (Vincent Cassel) und Pierre (Albert Dupontel) sinnen auf Rache.

Dass diese Szenen so brutal sind, das gehört eher zu den wenigen Stärken dieses Films – so brutal wie ein realer Mord und eine reale Vergewaltigung sind sie lange nicht.

Es soll qualvoll sein, diese Szenen anzusehen, Noés Bilder verhöhnen geradezu all die beschönigten, leichtverdaulichen banalisierten Brutalitäten, die das Kino und das Fernsehen zeigen, ohne irgendwas damit sagen zu wollen.

Das schlimme ist, dass Noé auch nichts damit sagen will. Wenn man die Möglichkeit ausschließt, dass Noé sich an einem schwulenfeindlichen Lobgesang auf die Lynchjustiz versucht, dann erzählt „Irreversibel“ eine Null-Geschichte.

Seine Szenen sind schwer zu erdulden, und man erduldet sie für nichts und wieder nichts. Nutzlos verpuffte Emotion ist auch nicht weniger banal als ästhetisierte Gewalt. Das ganze bewegt sich auf den pompös bedeutungslosen Satz „Die Zeit zerstört alles“ zu – genauso ist die Story, die Noé da fabriziert hat. Seine Charaktere reden sich um Kopf und Kragen. Je weiter die Geschichte zurückschreitet, desto dialoglastiger wird sie, und die drei Hauptfiguren geben nur Dummheiten von sich – da gibt es beispielsweise eine Unterhaltung über Sex in der U-Bahn, die auch sehr schwer auszuhalten ist, obwohl nur geredet wird.

Es ist im Grunde schade um diesen Film – „Irreversibel“ hätte eine große Sache werden können, wenn Noé etwas zu erzählen hätte. Am besten wär’s, wenn der Prozess noch umkehrbar wäre, und Noé nochmal von vorne anfangen könnte, ausgehend von der gleichen großartigen Idee.

Quelle dieser Texte und weiterer ist hier zu finden:
http://www.filmforen.de/index.php?act=ST&f=148&t=1092&s=2a45f9b2f02a64078eadbdb0b839ad14

Dem will ich gar nicht mehr viel hinzufügen, abgesehen davon, daß ich von beiden Kritiken nicht all zu viel halte, da beide Verfasser des Artikels einen der essenzielsten, wenn nicht sogar den schockierensten Umstand des Filmes übersehen hätten und sich somit selbst als unaufmerksamen Betrachter entlarft und für eine tiefer gehende Kritik unbrauchbar gemacht hätten.
Zur Verteidigung der Kritiker muß ich sagen, daß wir den Film zu viert auf einer großen Leinwand angesehen haben und auch lediglich ich bemerkt habe, was die Verkettung der Ereignisse zur Tyrannei gegen den Zuschauer macht.
Der Mord am Vergewaltiger von Alex zu Beginn des Filmes... Es trifft nicht den Vergewaltiger. Dieser steht nämlich von Drogen benebelt daneben und lächelt, als seinem "Bekannten" sprichwörtlich der Schädel eingeschlagen wird.
Ein Umstand der den Zuschauer trifft wie ein Schlag in die Magengrube.

So noch zwei drei Sätze Sicherheitsabstand, für diejenigen, die sich den Film ansehen wollen. Ich hoffe nicht nur aus Gewaltgeilheit oder Geilheit an sich. Monica Bellucci ist im späteren Verlaufes des Filmes zwar nackt zu sehen, aber glaubt mir, auf die üblichen Gedanken kommt ihr da nicht mehr...

-------------Ab hier geht´s ohne Filminhalte weiter!!!-------------

So, Du spielst mit dem Gedanken den Film anzusehen? Sag nicht, ich hätte Dich nicht gewarnt! :shock:

Irreversibel ist in seinen Geschehnissen, deren Darstellung und in seiner Machart eigentlich der härteste Film, den ich bisher gesehen habe. Allein die Kamerafahrten und -schwenks zu Beginn des Filmes sind derart anstrengend, daß ich mir überlegt habe, ob es nicht besser gewesen wäre den Film auf einem Fernseher anzusehen, anstatt auf einem Beamer. Man überblickt nicht das Geschehen, sondern bekommt nur Ausschnitte vermittelt, was um die Hauptrolle passiert, was sich nach und nach zu einem bizarren und abartigen Szenario verdichtet - nur am Anfang, später wird die Erzählweise immer ruhiger. Der Film ist ähnlich wie Pulp Fiction in einzelne Kapitel unterteilt, bei welchem jedes für sich ohne Kameraschnitt auskommt. Trotz teilweise angewandter Digitaltechnik, welche sicherlich einen "unsichtbaren Schnitt" ermöglicht, eine unglaublich beeindruckende Leistung der Schauspieler. Auch wenn das in so mancher Kritik anderst interpretiert wird.

Ich habe mich in den darauffolgenden Tagen, nachdem wir uns den Film angesehen haben, immer wieder mit den anderen dreien unterhalten und wir mussten feststellen, daß zum einen ALLE Nachts von dem Film geträumt haben, was schon ein bisschen veranschaulicht, wie er einen nachhaltig beschäftigt und zum anderen auch in Situationen wie "furtgehen Freitag Abend" immer wieder die Sprache darauf gekommen ist.

Wer also weiß, daß er mit exzessivster Gewalt - dargestellt wie sie wirklich ist: brutal, unmenschlich, schockierend und unbegreiflich -, einer Vergewaltigungsszene, bei welcher mir als Kerl das Blut in den Adern gefroren ist und ich mir später denken musste, wenn das eine Frau sieht ist die nervlich kaputt, sowie einer Geschichte die tragischer kaum sein könnte klar kommt, der kann sich den Film ansehen. Ich schreibe bewusst nicht sollte.
 

Balu

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Der Film ist gut, es ist wichtig das er zeitlich rückwärts läuft, auch für die Moral des Filmes.

Ein anderer sehr interessanter Film von Gaspar Noe (das ist der Regisseur) ist übrigens "Menschenfeind"

Beide Filme sind auf DVD erhältich, frei ab 18, nicht indiziert.

Bitte keine spektakulären Szenen erwarten, wer auf Splatter steht wird hier enttäuscht.